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Fünf Menschen erzählen einem Therapeuten ihre Geschichte. Sie gehören zu einer Familie, die Mutter, ihre drei Töchter und Alexander, der Pflegesohn. Sehr schnell wird klar, dass etwas Schreckliches passiert ist.
Die Handlung darf man nur anreißen. Jedes verratene Detail würde den raffinierten Bogen sprengen, der sich wie ein großes Geheimnis um diesen Roman legt. Die einzelnen Kapitel des Buches sind Monologe. Fünf Menschen erzählen einem Therapeuten ihre Geschichte. Sie gehören zu einer Familie, die Mutter, ihre drei Töchter und Alexander, der Pflegesohn. Sie bewirtschaften einen Bauernhof und ein Familienhotel in Südtirol, alle müssen mit anpacken. Vom Vater ist viel die Rede, aber er fehlt bei den Therapiegesprächen. Die Eltern haben irgendwann, als kein Sohn kommen wollte, das Pflegekind, den kleinen Alexander angenommen. Aus wechselnden Perspektiven erzählen die Familienmitglieder und Alexander ihre gemeinsame Zeit, ihre Geschichte.
Ist in Linz geboren, vierzig Jahre alt, hat Geschichte und Germanistik studiert, lebt mit ihrer Familie in Innsbruck, arbeitet als Lehrerin und Drehbuchautorin. “Sommer wie Winter” ist ihr Debütroman.
Sehr schnell wird klar, dass etwas Schreckliches passiert ist. Aber es dauert fast bis zum Ende des Romans, bis die dramatische Verkettung der Ereignisse ein Bild ergibt. Das alles entwickelt sich vorsichtig, aber mit einem ungeheuren Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Man will wissen, was passiert ist. Amoklauf, Mehrfachmord, Unfall, alles scheint möglich. Noch auf den letzten anderthalb Seiten kommt eine unerwartete, aber folgerichtige Wende.
Und man sieht das Bild einer Familie, deren weggesperrte Emotionen und verquere Moralvorstellungen einen frösteln lassen. Der Titel, der scheinbar banal und belanglos daherkommt, ist genial gewählt. Eine Zusammenfassung der Geschichte in drei Wörtern. Ein Heimatroman der anderen Art steht hinten auf dem Cover. Man braucht vier, fünf Seiten, um in diese andere Art hineinzufinden. Ist man erstmal drin, wird man nur schwer wieder heraus finden. Noch Tage später hatte mich die Geschichte nicht losgelassen. Gibt es eine bessere Empfehlung für ein Buch?
Judith W. Taschler
Sommer wie Winter
Picus Verlag
ISBN 978-3-85452-671-1
19,90 Euro